Frühjahr 1945: Der Pazifik ist kein Ozean mehr, sondern ein Flugplatz. US‑Trägerverbände rollen unablässig Angriffswellen auf japanische Kräfte, B‑29 entzünden Städte, U‑Boote würgen japanische Handelsrouten ab. Die Kido Butai ist ausgelaugt, Piloten und Flugzeuge sind rar, Treibstoff rationiert, und dennoch hält die Marineführung am Traum „Entscheidungsschlacht“ fest. Es kursiert ein Name: Yamato. Ein Schiff so groß, dass man Werften neubauen musste; so rätselhaft, dass selbst Spione nur Gerüchte über den Bau abfingen; so überladen mit Symbolik, dass „Schlachtschiff“ fast zu klein klingt.

Yamato wurde in Kure gebaut, in einem eigens erweiterten und teilweise überdachten Dock, damit neugierige Augen keine Rückschlüsse auf Dimensionen und Bewaffnung ziehen konnten (WW2DB; Kure Naval Arsenal). Der Kiel lag seit 4. November 1937, der Stapellauf war 8. August 1940, die Indienststellung erfolgte am 16. Dezember 1941. Viel Geheimhaltung, wenig Schampus, maximaler Größenwahnsinn.

Das Design war die logische Eskalation des japanischen Kantai Kessen‑Dogmas (艦隊決戦, „Flotten‑Entscheidungsschlacht“): baut einen Titanen, der gegnerische Schlachtschiffe mit Reichweite und Rüstung einfach aus dem Wasser radiert (Yamato‑Klasse).
Exkurs: Die Philosophie hinter Kantai Kessen (艦隊決戦)
Was gemeint ist: Die japanische Marineoffizierschule lehrte seit der Meiji‑Zeit, dass ein Krieg auf See durch eine große, geordnete Entscheidungsschlacht zwischen Schlachtflotten beendet wird. Das knüpft direkt an Alfred Thayer Mahanan, dessen Ideen in Japan begeistert rezipiert wurden (Mahan). Der vermeintliche Beweis dafür war Tsushima 1905, wo eine gut trainierte, kompakte Flotte eine numerisch stärkere, aber ermüdete russische Gegnerflotte vernichtete (Tsushima).
Wie das gedacht war: Die USA würden über den Pazifik anmarschieren. Und Japan „frisst“ dabei Stücke aus der gegnerischen Flotte: erst durch U‑Boote und Langstreckenaufklärung, dann Nachtangriffe mit Kreuzern/Zerstörern und Type‑93 „Long Lance“‑Torpedos (Type 93). Am Ende, nahe der Heimgewässer, stellt die Schlachtschiffflotte die tödliche Falle – die eigentliche Kantai Kessen. In der Fachliteratur heißt das Decisive‑Battle/Interceptive‑Operations‑Doktrin: schrittweise Abnutzung, dann die eine einzige taghelle See-Schlacht (Pacific War Online Encyclopedia).
Was das für die Technik hieß: Qualität sollte Quantität ausgleichen. Daher Riesen‑Kaliber (46 cm), Reichweite, Panzerung und exzellente Optiken/Feuerleitung – genau das Pflichtenheft, aus dem Yamato entstand. Evans & Peattie beschreiben diese „Qualitätskompensation“ als roten Faden der Zwischenkriegs‑Kaigun (Evans/Peattie, Kaigun – Rezension).
Und geliefert hat man: 46‑cm/45 Type‑94‑Hauptgeschütze (ja, 18,1 Zoll), Reichweite um die 40 Kilometer, Türme so schwer wie ein amerikanischer Zerstörer, Deck‑ und Gürtelpanzer nach dem Motto „Viel hilft viel“ (WW2DB). Dazu kam später ein AA‑Upgrade, inklusive dutzender 25‑mm‑Maschinenkanonen und Sanshiki‑„Bienenstock“‑Flakgranaten aus den Hauptgeschützen, die spektakulär aussahen und feindliche Luftflotten mit einem Schlag ausradieren sollten (Sanshiki).
Yamato war die materialisierte Antwort an die Idee, dass Luftmacht in Zukunft wichtiger wäre als Stahlplatten und Kalibergrößen.
- Bauwerft: Kure Naval Arsenal, teilweise überdachtes Trockendock zur Geheimhaltung (WW2DB).
- Hauptartillerie: neun 46‑cm‑Kanonen in drei Drillingstürmen (WW2DB).
- Panzerung: Wasserliniengürtel um 16 Zoll (ca. 410 mm); massive Zitadelle, schwächerer Bug und Heck (NHHC H‑Gram PDF).
- Tarn‑Taktik: Bau in einem teils überdachten Dock, strikte Geheimhaltung; die Amerikaner waren lange unsicher bei Kaliber und Details (WW2DB).
Von der Flagge Yamamotos zur Flugabwehr‑Show
Als Flaggschiff der Kombinierten Flotte trug Yamato zeitweise die Flagge von Großadmiral Isoroku Yamamoto. Viel gesehen hat sie vom „Decisive Battle“ trotzdem nicht; die träger-gestützte Realität des Pazifikkriegs verwandelte Großkampfschiffe in überdimensionierte Munitionslager mit schlechter Reichweite. Nach diversen Umbauten im Jahr 1944 arbeitete man an Radar, Flak‑Aufstellung und Gewichtsverteilung. Die beiden seitlichen 155‑mm‑Türme flogen zugunsten von mehr Mehrzweckgeschützen raus (WW2DB Timeline).
„Der Kaiser fragt …“: Der Befehl, der alles besiegelte
März/April 1945. Okinawa brennt. In Tokio fragt der Kaiser, was denn die Marine eigentlich so tue. Was folgt, ist die Mischung aus Fatalismus und Pflichtpathos, die in japanischen Memoiren als „glänzender Tod“ verkauft wird: Operation Ten‑Ichi‑Go (天一号, „Himmel‑Eins‑Operation“, kurz Ten‑Go; Ten = Himmel, Ichi = Eins, Go = Nummer/Befehlscode) bezeichnete in der japanischen Operations‑ und Signalnomenklatur eine priorisierte Befehlsserie, wörtlich „Himmel‑Eins“.
Für die Marineführung war Ten‑Ichi‑Go mehr als ein Verzweiflungsritt. Der Plan sollte dem Leitbild des Kantai Kessen (艦隊決戦, „Flotten‑Entscheidungsschlacht“, Überblick: hier) ein letztes, sinnstiftendes Kapitel geben und gleichzeitig die erwartete Selbstaufopferung im Geist des Gyokusai (玉砕, „wie ein Edelstein zerschellen“, Analyse: APJJF) in eine nachvollziehbare Pflicht übersetzen. Hinter dem Entschluss standen handfeste Ziele: den Gegner vor Okinawa unter Druck zu setzen, Zeit für die Heimatverteidigung Kyūshūs und für jede verbleibende diplomatische Option zu gewinnen, die Moral in Armee und Heimat zu stabilisieren und zu zeigen, dass die Kaigun ihren Giri (義理, Pflicht/Verpflichtung), Chū/Chūgi (忠/忠義, loyale Pflichterfüllung) und Meiyo (名誉, Ehre) gegenüber Tennō und Besatzungen erfüllt. Parallel hoffte man, dass die Kikusui‑Kamikazeangriffe (菊水, „Chrysanthemen‑Wasser“, Überblick: Wikipedia) unter dem Chrysanthemen‑Banner des loyalen Samurai Kusunoki Masashige die US‑Träger schwächen würden. In der Rhetorik bündelte man das als Yamato‑damashii (大和魂, „Geist Japans“, Definition hier). Wer wäre also besser dafür geeignet, den Geist Japans zu verteidigen, als das Schlachtschiff Yamato?

Ten‑Go setzte auf eine bekannte Choreografie: erst den Gegner durch Abnutzung (Luft‑ und Kamikazeangriffe) schwächen, dann mit Yamato und Begleitschiffen in die amphibische Operation der Amerikaner stoßen. Sollte der Durchbruch scheitern, würde Yamato bewusst auf Strand gesetzt und als stationäre Batterie weiterkämpfen. Nüchtern übersetzt bedeutete das einen Einsatz ohne Rückfahrtticket (Operation Ten‑Go; Imperial Rescript; Kikusui; Yamato‑damashii; Gyokusai).
Vice Admiral Seiichi Itō widersprach dem Plan zunächst, wurde jedoch „überzeugt“: Yamato, der leichte Kreuzer Yahagi und acht Zerstörer sollten am 6. April auslaufen, Richtung Okinawa, um dort in die US-Transporter fahren. Luftschutz? Marginal. Treibstoff? Eher One‑Way‑Ticket.
Am 5. April holte man die Schiffsführer auf der Yahagi zusammen. Captain Tameichi Hara (ja, der Hara aus Japanese Destroyer Captain) berichtet von einer Meuterei auf leisen Sohlen: keiner will kneifen, aber alle halten den Plan für selbstmörderisch und sinnlos. Am Ende marschieren trotzdem alle los, weil „Kaiser“ und „Befehl ist Befehl“ (NHHC H‑Gram PDF).
Aruga vs. Mitscher
Auf der einen Seite Captain Kōsaku Aruga (auch „Ariga“), der letzte Kapitän der Yamato, Veteran, straff, sachlich, am Ende buchstäblich ans Schiff gebunden (Aruga‑Biografie; NHHC H‑Gram). Über ihm Vice Admiral Itō, pflichtbewusst, aber nicht blind. Auf der anderen Seite Vice Admiral Marc A. Mitscher, Boss der Task Force 58, der fliegenden Faust der 5. US‑Flotte. Während Admiral Raymond Spruance parallel eine Blockade mit Schlachtschiffen (TF 54) anordnet, zieht Mitscher das Messer noch schneller: Er startet die Luftangriffe, während die Schlachtschiff‑Brüder noch Karten spielen (Operation Kikusui I).

Es ist kein Duell auf Sichtweite wie bei Trafalgar. Es ist ein Duell der Weltbilder: Aruga steht für die sinkende Sonne der Schiff‑zu‑Schiff‑Entscheidungsschlacht, Mitscher für die konsequente Logik des Trägerkrieges. Aruga lässt Sanshiki‑Feuerwerke in den Himmel steigen; Mitscher wirft Avengers, Helldivers, Hellcats und Corsairs in rotierenden Wellen. Aruga vertraut auf Stahl, Mitscher auf Team, Funk und Radar.
Die Amerikaner sehen alles
Dass die Ten‑Go‑Gruppe schon beim Ablegen in eine Falle segelt, ist fast perfide.
Die US‑Unterseeboote USS Threadfin (SS‑410) und USS Hackleback (SS‑295) entdecken den Verband bereits am 6. April im Bungo‑Kanal, melden offen, werden sogar abgehört. Am 7. April übernehmen PBM Mariner‑Flugboote die Schattierung aus den Wolken. Das ist nicht Spionage‑Glamour, das ist eine Kill-Chain (NHHC H‑Gram PDF; Operation Kikusui I).
Mitscher schiebt TG 58.1, 58.3 und 58.4 in Startposition. Auf den Decks stehen Hornet (CV‑12), Hancock (CV‑19), Bennington (CV‑20), Belleau Wood (CVL‑24), San Jacinto (CVL‑30), Essex (CV‑9), Bunker Hill (CV‑17), Bataan (CVL‑29), Cabot (CVL‑28), Yorktown (CV‑10), Intrepid (CV‑11), Langley (CVL‑27).
Wenn ihr gerade „das ist unfair“ gedacht habt: genau darum geht es am Ende des Pazifikkrieges
Der Mythos und das Metall: was die Konstruktion uns verrät
Trotzdem war Yamatos Panzerung Endgegner‑Kaliber: ein Wasserliniengürtel aus VH‑Stahl mit 410 mm Stärke schützte die Zitadelle; darüber lag ein gepanzerter Decksverbund von bis zu 230 mm über den Magazinen und etwa 200 mmüber den Maschinenräumen. Die Haupttürme der 46‑cm‑Artillerie trugen 650 mm Panzerplatten an der Front, rund 270 mm an Seiten und Dächern; der Kommandoturm etwa 500 mm. Unter Wasser arbeitete ein mehrschichtiges Torpedoschutzsystem aus Hohl‑ und Flüssigkeitskammern, nach japanischer Auslegung widerstandsfähig gegen Sprengköpfe um ≈400 kg. (WW2DB; NHHC H‑Gram 044‑3).
Gleichzeitig war die Bauleistung objektiv atemberaubend: Kures Werft wurde ausgehoben, vertieft, überdacht, Krane mit 350‑Tonnen‑Fähigkeit installiert. Das Ganze mit einer Geheimhaltungs‑Kultur, die an heutige Smartphone‑Launches erinnert, nur ohne Keynote und mit mehr Stacheldraht (WW2DB; USNI Museum Report).
Drei Wellen, eine Lektion: so greift man einen Titanen an
12:10 Uhr: Der Nachzügler‑Zerstörer Asashimo meldet als erster Luftangriffe und verschwindet wenig später mit allen 330 Mann im Meer. 12:32 Uhr: Ausgucke melden die erste große Welle US‑Flugzeuge. 12:34 feuert Yamato die ersten Sanshiki‑Salven aus den 46‑cm‑Rohren. Optischer Overkill, taktischer Underperformer (NHHC H‑Gram PDF).
Erste Angriffswelle (ca. 12:37–12:50)
- Dive‑Bomber‑Treffer: Zwei 1.000‑lb‑Bomben schlagen gegen 12:40 ein, eine nahe der hinteren Gefechtsstation. Feuer, Radar‑Ausfall, tote Bedienungsmannschaften an den Geschützen.
- Torpedotreffer: Gegen 12:45 erwischt eine Avenger‑Salve die Yamato Backbord. 2.235 Tonnen Wasser schlagen durch – die Japaner kontern mit Gegenfluten und retten die Lage kurzfristig (NHHC H‑Gram PDF).
- Ablenkungsmanöver Yahagi: Captain Tameichi Hara dreht ab, um die Angreifer wegzulocken; Ironie des Tages: es funktioniert zu gut. 12:46 frisst Yahagi einen Torpedo mitten in den Maschinenraum, fällt auf null Knoten und kassiert in Folge mindestens 6 weitere Torpedos und 12 Bomben. 14:05 sinkt sie. Rear Admiral Keizō Komura überlebt, 445 Mann sterben (WW2DB Yahagi; NHHC H‑Gram).
Zweite Welle (ab ca. 13:02)
USS Essex und Bataan kommen ins Spiel. Bombentreffer im Vorschiff, weitere Schäden an Leitständen, AA‑Stellungen verdampfen. Die Jagdbomber arbeiten mit Raketen und Bordkanonen die 25‑mm‑Stände nieder. Sanshiki‑Wolken? Die US‑Piloten fliegen schlicht durch die künstlichen Feuerwände (NHHC H‑Gram PDF).
Dritte Welle (ab ca. 13:33)
TG 58.4 (Yorktown, Intrepid, Langley) konzentriert alles auf Yamato. Jetzt kommt die Lehrbuch‑Taktik: Torpedos vor allem auf Backbord, um den Riesen in eine unumkehrbare Backbord‑Schlagseite zu treiben. Drei Treffer fallen in kurzer Folge; die Schlagseite baut sich auf 7 Grad auf. In der Verzweiflung lässt die Yamato‑Besatzung beide Steuerbord‑Maschinen‑ und Kesselräume fluten, um zu kompensieren. Das funktioniert, kostet aber die Leben mehrerer hundert Männer, die ohne Vorwarnung in ihren Stationen ertrinken. Außerdem fällt die Geschwindigkeit auf 10 Knoten. Leichtes Ziel.
Die Angreifer schlagen jetzt gezielt auf Heck und Ruder, um jede Steuerfähigkeit zu töten. Bomben sprengen die Krankenstation, weitere AA‑Stände schweigen. Um 14:02 bricht Itō ab: Operation canceln, Schiff räumen. Funken ist nicht mehr drin, also Flaggensignal an die verbliebenen Schiffe (NHHC H‑Gram PDF).
Persönliche Momente im Maschinenlärm
- Captain Kōsaku Aruga (häufig auch „Ariga“ geschrieben) bleibt bis zuletzt auf der Brücke. Als die Lage hoffnungslos ist, lässt er sich am Kompassgehäuse festbinden. Heroisch, tragisch und trotzdem zwecklos. Er geht mit seinem Schiff unter und wird posthum zum Vizeadmiral befördert (Aruga; NHHC H‑Gram PDF).
- Vice Admiral Seiichi Itō widersetzte sich erst dem Plan, führte ihn dann aus und ging bewusst mit unter. Vorher ordnete er den Abbruch und das Räumen an, soweit das noch möglich war (NHHC H‑Gram PDF).
- Captain Tameichi Hara auf Yahagi versucht, die Angriffe abzufangen. Als sein Schiff am 14:05 kippt, springt er mit Rear Admiral Keizō Komura von Bord und überlebt. Hara ist die seltene Stimme, die beides kennt: Taktik ohne Illusion und Pflicht ohne Pathos (USNI „Kamikaze Yamato“; Komura).
- LtCdr Herbert N. Houck, Führer der Torpedostaffel VT‑9 (USS Yorktown), leitet später eine der letzten Torpedoattacken des Tages und erhält dafür das Navy Cross. Er ist ein Sinnbild der nüchternen, gefährlichen Handarbeit auf US‑Seite, die den Giganten niederzwingt (LA Times Nachruf; Washington Post Obit).
- Naoyoshi Ishida und Mitsuru Yoshida, Überlebende von Yamato, liefern bittere Augenzeugenberichte über das Ende, die Flucht ins Wasser und die apokalyptische Magazindetonation. Yoshida verdichtet das später in Requiem for Battleship Yamato (NHHC H‑Gram PDF; Operation Kikusui I).
14:20–14:23: ein Pilz aus Stahl und Menschenleben
Ab 14:08 kippt Yamato spürbar. 14:20 fällt der Strom aus, 25‑mm‑Stände rutschen ins Meer. 14:23 detoniert vorn das Hauptmagazin. Der Pilz steigt kilometerhoch, wird auf Kyūshū gesichtet. Zeitzeugen berichten, die Druckwelle habe sogar US‑Flugzeuge beschädigt, die in einiger Distanz kreisten (NHHC H‑Gram PDF).
Auf Yamato sterben rund 3.055 von ca. 3.332 Mann; insgesamt gehen an diesem Tag etwa 4.200 japanische Seeleute mit ihren Schiffen unter. Die US‑Navy verliert 10 Flugzeuge und 12 Besatzungsmitglieder (NHHC H‑Gram PDF).
Timeline des letzten Tages (7. April 1945)
- 06:57: Asashimo meldet Maschinenschaden; später von Trägerflugzeugen versenkt (Totalverlust) (NHHC H‑Gram PDF).
- 08:23: Essex‑Hellcat sichtet die Formation; US‑Carrier bereiten Strikes vor (NHHC H‑Gram PDF).
- 10:00: Start TG 58.1 und 58.3 mit zunächst ~280 Maschinen; Hancock‑Welle verpasst das Ziel im Dunst (NHHC H‑Gram PDF).
- 12:32–12:50: Erste Welle, Bomben‑ und Torpedotreffer auf Yamato; Hamakaze wird zerlegt, Suzutsuki verliert den Bug, Yahagi wird lahmgelegt (NHHC H‑Gram PDF).
- 13:02–13:40: Zweite Welle, weitere Bombentreffer, Yamato verliert Radar/Leitstände; AA‑Stellungen sterben im Takt (NHHC H‑Gram PDF).
- 13:33–14:15: Dritte Welle, konzentrierte Backbord‑Torpedos, Gegenfluten ertränkt Hunderte, Ruder blockiert, Geschwindigkeit fällt; 14:02 Abbruchbefehl, 14:05 sinkt Yahagi (NHHC H‑Gram PDF; WW2DB Yahagi).
- 14:20–14:23: Totalverlust Yamato, Magazindetonation, Pilzwolke über dem Ostchinesischen Meer; geschätzte 3.055 Tote an Bord (NHHC H‑Gram PDF; Yamato‑Artikel).
Das Duell, nüchtern betrachtet: Aruga vs. Mitscher
Aruga steht für Pflicht ohne Hoffnung. Er ignoriert nicht die Lage; er hält sie aus. Die dokumentierte Szene, in der er sich am Binnacle festbindet, ist keine Staffage, sondern die Endkonsequenz einer Offiziersehre, die an der Realität zerbricht (NHHC H‑Gram PDF).
Mitscher ist kein Comic‑Schurke, sondern ein Prozessmanager des Krieges: aufklären, bündeln, präemptiv handeln, nachlegen. Selbst die kleine bürokratische Reibung mit Spruance ändert nichts daran, dass TF 58 den modernen Krieg repräsentiert. Ihr „Duell“ ist der Systemwechsel: vom heroischen Kapitän auf der Brücke zum Strike‑Commander auf dem Flugdeck. Der Rest ist Logistik, Taktik und Funk.
Zahlen, die knirschen
- 386 eingesetzte US‑Flugzeuge (Angriffswellen gesamt), 10 US‑Verluste an diesem Tag (Operation Kikusui I; NHHC H‑Gram PDF).
- Yamato kassiert „mindestens“ 11 Torpedos und 6 Bomben; die Zählweise variiert je nach Quelle und Zeitpunkt, aber das Muster ist eindeutig: Backbord‑Treffer häufen sich, Kenter‑ bzw. Capsize‑Effekt inklusive (Yamato‑Artikel; NHHC H‑Gram PDF).
- Yahagi: ~7 Torpedos und 12 Bomben, 445 Tote, Hara und Komura überleben (WW2DB Yahagi; NHHC H‑Gram).
- Japan gesamt in der Ten‑Go‑Aktion: über 4.200 Gefallene, Yamato war noch > 300 nm von Okinawa entfernt, als sie sank (NHHC H‑Gram PDF).
Nachglühen: Mythos, Museum, Monument
Heute steht in Kure ein 1:10‑Modell der Yamato; das Yamato‑Museum pflegt den Mythos und die Technik gleichermaßen. Auf dem Gelände der alten Werft sind Spuren, Denkmäler, Geschichtstafeln. Ihr könnt dort hinfahren und ehrfürchtig erfragen, wie viel Genie in einer Fehlwette stecken kann (USNI Museum Report; allgemeiner Kontext Kure: Kure City).
Warum Yamato uns noch etwas angeht
Yamato ist die stählerne Erinnerung daran, dass Technik ohne Taktik nur Deko ist. Sie wurde in einem überdachten Dock geboren, mit Mythen gefüttert und von Flugzeugen auseinandergenommen, die in koordinierten Wellen ein Ziel bearbeiteten. Das eigentliche Duell waren nicht die Kanonen. Es war ein Hinrichtungskommando der Moderne gegen das 19. Jahrhundert in Hochglanzlack.
Aruga band sich ans Schiff, Mitscher band Strikes zusammen. Dazwischen lagen 3.000 Tote, eine Pilzwolke und ein Lehrstück in Taktik. Auch auf logistischer Seite ist die Trägerflotte, gegen die Yamato angefahren ist, ein Testament für die überlegene amerikanische Kriegsproduktion:
Admiral Isoroku Yamamoto warnte 1940/41 sinngemäß: „In den ersten sechs bis zwölf Monaten eines Krieges gegen die USA und Großbritannien werden wir uns austoben und Sieg auf Sieg erringen; danach habe ich keine Erwartung auf Erfolg“ (Isoroku Yamamoto). Was man nicht statistisch erfassen kann, aber für immer in die Herzen der Japaner eingemeißelt bleiben wird, ist der Heldenmut der Japanischen Flotte und jedes einzelnen, der zu diesem Himmelfahrtskommando aufgebrochen ist.
Mini‑FAQ für Detailverliebte
- Hat Yamato ihre 46‑cm‑Kanonen effektiv gegen Flugzeuge eingesetzt? Nein. Sanshiki waren Spektakel, aber kaum Treffer. Der Mündungsblitz störte zudem die kleineren AA‑Stände (Sanshiki).
- Gab es eine realistische Chance, die Transporter vor Okinawa zu erreichen? Praktisch nicht. Der US‑Aufklärungsvorsprung, die Trägerdichte und das Fehlen japanischer Luftdeckung machten das Unternehmen zu einem „Ei gegen Felsen“ – Zitat Hara (NHHC H‑Gram PDF).
- Wer hat den „finalen Treffer“ gelandet? Das ist akademisch. Dokumentiert ist u. a., dass LtCdr Herbert N. Houck mit VT‑9 eine späte Torpedoattacke führte und dafür ausgezeichnet wurde. Der Todesstoß war die Magazindetonation nach kumulativen Treffern (LA Times; NHHC H‑Gram).
Das Ende?!
Der Mut der Japaner ist Generationen später noch in Erinnerung.
Und das Schicksal der Yamato…?
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