Der Vietnamkrieg war ein Schauplatz skurriler Taktiken und absurder Situationen, von denen sich nicht nur Drehbuchautoren von Apocalypse Now inspirieren ließen. Besonders faszinierend war das Spiel zwischen Scharfschützen der Vietcong und den amerikanischen Truppen in belagerten Stellungen. Dort, mitten im Kugelhagel und Artilleriefeuer, hatten die Schützen des Vietcong eine etwas „alternative“ Herangehensweise entwickelt: absichtliches Danebenschießen. Ja, richtig gelesen – gezieltes Verfehlen!
Warum? Ganz einfach: Der Vietcong hatte kein Interesse daran, die ganze amerikanische Artillerie auf sich zu ziehen. Die Taktik bestand darin, US-Soldaten zwar „ein wenig“ unter Druck zu setzen, aber nicht so sehr, dass die amerikanischen Kommandeure sich genötigt fühlten, ihre eigenen Kanonen in Bewegung zu setzen. Es war quasi ein Balance-Akt der Bedrohung – genug, um die Amerikaner wachzurütteln, aber nicht genug, um das volle Arsenal ihrer Vergeltung anzulocken. Dieses „Subtile Schießen“ war eine ständige Nadelstichtaktik ohne großes Risiko. ( The Strategy Bridge / Ghosts of the Battlefield)
Diese Taktik erinnerte in gewisser Weise an „Five O’Clock Charlie“ aus der Kultserie M*A*S*H. Diese spielt zwar in Korea, aber wir wir alle wissen, war das ja nicht weniger absurd.
Dort wird ein nordkoreanischer Pilot zum täglichen Ärgernis – oder besser, zur täglichen Belustigung – des Lazarettteams. Täglich, pünktlich um fünf Uhr, donnert der ungeschickte Charlie mit seinem klapprigen Doppeldecker heran und wirft eine einzelne Bombe ab, die angeblich ein nahegelegenes Munitionslager treffen soll. Natürlich geht der Schuss fast immer daneben, und bald wettet das gesamte Camp darauf, um wie viele Meter Charlie diesmal das Ziel verfehlen wird (und das nicht zu knapp). Selbst der US-General Clayton, der eigentlich militärische Effizienz erwartet, beteiligt sich schließlich an den Wetten und verliert dabei kräftig. ( Wikipedia / TheTVDB )
Das Desaster erreicht seinen Höhepunkt, als der überambitionierte Major Frank Burns eine Luftabwehrkanone anfordert, um Charlie ein für alle Mal vom Himmel zu holen. Doch anstatt den Bomber zu treffen, endet das Ganze mit einem epischen Team-Kill: das Munitionslager geht in Flammen auf – natürlich durch Franks eigene Inkompetenz. (Wikipedia)
Vor allem Hawkeye und Trapper sind fest entschlossen, Franks Kanonen-Abenteuer zu sabotieren, um die Situation im Camp nicht noch angespannter zu machen, als sie ohnehin schon ist. Am Ende stellt sich die Frage: Wer ist hier eigentlich der größte Trottel? Der Nordkoreaner Charlie, der das Ziel jeden Tag verfehlt, oder die Offiziere, die Charlie für eine ernsthafte Bedrohung halten?
Dieses Konzept gilt in allen Konflikten.
Khe Sanh, ein belagerter Außenposten in Vietnam, war ein Paradebeispiel dieser mentalen Kriegsführung. Während die US-Marines unter ständigem Beschuss standen, war es nicht unbedingt die direkte Bedrohung durch einen Treffer, die sie in Schach hielt, sondern der psychologische Druck, der ständige Adrenalinkick der Unsicherheit. Hier haben aber auch gute Sniper ihre eigenen Spitznamen bekommen. “Cobra” und “die Apachin” wurden beide erst durch den Sniper-König Carlos Hathcock ausgerottet, nachdem sie bereits zahllose G.I.s auf dem Gewissen hatten.
Carlos konnte aber nicht überall sein, und der Vietcong hatte nicht unendlich viele Sadisten in seinen Rängen, um alle Amerikaner gleich zu bedrohen. So konnten die Vietcong durch schlechtes Schießen ihre Ressourcen sparen und trotzdem die Nerven der Amerikaner strapazieren – denn nichts macht Soldaten nervöser, als der Gedanke, jederzeit von einem „unsichtbaren“ Gegner erwischt zu werden, von dem man nie weiß, wie gut er wirklich ist. ( The Strategy Bridge / Ghosts of the Battlefield )
Diese taktische Zurückhaltung verdeutlicht, wie der Vietcong oft mit Köpfchen statt Kraft vorging. Statt durch vollen Angriff zu provozieren, bevorzugten sie die subtilere Kunst der Irritation – eine Taktik, die in Filmen oft übersehen wird, aber eine enorme Wirkung auf das Gemüt richtiger Soldaten haben kann.
Andererseits tritt bei erwiesener Inkompetenz der Gegner auch eine gewisse Gewöhnung ein:
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