Kyoto, Stadt der 1000 Tempel und 10.000 Selfiesticks. Zwischen Zen-Gärten, Matcha-Latte-Läden und Kirschblüten-Kitsch gibt es ein Relikt, das eher nach Saw VIII – Kyoto Drift aussieht: die berühmten „Blutdecken“ (Chitenjō, 血天井).
Fushimi Castle – von Festung zu Fleischwolf
Wir schreiben das Jahr 1600. Europa stolpert noch durch den Dreißigjährigen Krieg, während in Japan gerade der ultimative Bossfight des Sengoku-Zeitalters vorbereitet wird.
- Tokugawa Ieyasu (der kühle Machtstratege mit Endgegner-Aura) will Japan unter seine Kontrolle bringen.
- Ishida Mitsunari (der dachte, er könnte Main Character sein) stellt sich ihm entgegen.
- Schauplatz: Fushimi Castle, einst das chillige Altersdomizil von Toyotomi Hideyoshi – dem mächtigen General, Reichseiniger und Baumeister Japans, der aus einfachen Anfängen bis an die Spitze der Macht aufstieg.
Und mittendrin: Torii Mototada, Daimyō, Ehrenmann, Bushidō-Fanboy (nicht der Rapper, Du Höhlenmensch!) Er sitzt da mit seinen 2000 bis an die Zähne bewaffneten Samurai, während draußen 40.000 Gegner anklopfen.
Er hätte sagen können: „Leute, wir hauen ab. Ich muss noch ein neues Ramen-Rezept ausprobieren und ein paar Videofilme zurückbringen!“
Stattdessen: „Wir bleiben. Wir sterben.“ Ramen war ja schließlich noch nicht erfunden.
Zwölf Tage Hölle
Die Belagerung von Fushimi war kein stilles Warten hinter Mauern, sondern eine Dauerorgie aus Pfeilen, Kugeln und Katapultsteinen, die Helm’s Deep wie ein Scharmützel aussehen liessen. Mitsunaris Truppen feuerten Tag und Nacht, um die Verteidiger mürbe zu machen. Die kleine Garnison unter Mototada hielt stand: mit Bogen, Arkebusen (Knarren gabs dann doch schon, nur Nudeln waren neu) und schierer Sturheit.
- Tag 1-3: Erste Angriffe, Pfeilhagel prasselt auf die Dächer. Die Samurai auf den Zinnen schießen zurück, jeder Treffer ein kleiner Sieg.
- Tag 4-6: Belagerungstürme rollen heran, Leitern werden angesetzt, Köpfe rollen genauso schnell wieder herunter. Blut füllt die Gräben, während die Verteidiger schweißgebadet durchhalten und dumme Sprüche abfeuerten.
- Tag 7-10: Feuer! Mitsunaris Männer setzen alles in Brand, was brennt. Rauchschwaden hüllen die Burg ein, die Sonne ist nur noch ein roter Ball über einer Apokalypse. Wenn man bedenkt, wie verschachtelt japanische Schlösser gebaut wurden, um genau das zu verhindern, nicht schlecht..
- Tag 11-12: Die Mauern brechen, der Feind drängt hinein. Nahkampf: Katana gegen Wakizashi, Muskete gegen Speer, Blutfontänen wie aus SGT. Kabukiman, NYPD.
Mototada wusste, dass er nicht gewinnen konnte – aber sein Ziel war klar: Zeit schinden. Jeder weitere Tag bedeutete, dass Tokugawa Ieyasu seine Truppen sammeln konnte. Ihre Tode waren eine strategische Investition.
Seppuku als Interior-Design
Als die Lage aussichtslos wurde, versammelte Mototada seine Männer. Keine Kapitulation, kein Betteln um Gnade: stattdessen die große, ehrenvolle Ehrenrunde: Seppuku.

Die Samurai schlitzten sich selbst die Bäuche auf, ihr Blut floss in Strömen über die Holzdielen. Manche versuchten noch, mit letzter Kraft ihre Silhouette in die Bretter zu drücken – ein makabres Selfie aus der Sengoku-Zeit.
Ihr Blut sickerte in die Bretter, zeichnete Silhouetten von Händen, Füßen und ganzen Körpern. Stellt euch das vor wie die Handabdrücke auf dem Hollywood Walk of Fame, nur weniger Glitzer, mehr Innereien.
Diese Bretter wurden nicht verbrannt, nicht entsorgt, sondern recycelt – ja, Nachhaltigkeit made by Bushidō. Sie landeten als Deckenbalken in Kyotoer Tempeln. Ergebnis: Die makaberste Form von Upcycling ever.
Wo hängen die Blutdecken heute?
Kyoto hat gleich mehrere Tempel, die dieses morbide „DIY-Projekt“ beherbergen:
- Yōgen-in : hier siehst du noch klar erkennbare Silhouetten. Netflix könnte direkt die Serie CSI: Sengoku drehen.
- Genkō-an : Decke mit Hand- und Fußabdrücken, die aussehen, als hätte jemand Twister in der Hölle gespielt.
- Hōsen-in : meditiere unter einem Schlachtfeld. Namaste mit Nebeneffekt.
- Shōden-ji : weniger bekannt, aber dieselbe Bloody-Hell-Deko.
- Myōshinji (Untertempel) : Bonuslevel für Hardcore-Historienjunkies (Quelle).
Blut oder Bullshit?
Natürlich gibt es Skeptiker, die sagen: „Hey, das sind keine Blutspuren, das sind einfach Altersflecken.“ Klar. Und Elvis lebt noch in Bochum.
Die Wissenschaft mag diskutieren, aber die Besucher wollen Drama. Und die Tempel liefern. Solange die Flecken da sind, bleibt das Storytelling stärker als jede chemische Analyse. Und mal ehrlich: Wer fliegt nach Kyoto, um sich Holzverfärbungen erklären zu lassen? Ihr wollt Blut, und ihr kriegt Blut.
Warum das Ganze wichtig ist
Die Blutdecken sind mehr als morbide Touri-Attraktion:
- Bushidō-DNA: Sie sind Mahnmal für Loyalität und Opferbereitschaft.
- Geschichtliche Gravur: Ohne Mototadas Delay-Taktik wäre Tokugawas Sieg bei Sekigahara wackeliger geworden. Keine Shogun-Ära, keine 250 Jahre Pax Tokugawa. Ja, deswegen kennt ihr den Namen.
- Spirituelles Statement: In Japan hängt Erinnerung nicht im Museum: sie hängt über deinem Kopf.
Zen und die Kunst der Blutflecken-Decken

Kyoto ist die Stadt, wo man Matcha-Latte schlürft und Selfies mit Kirschblüten macht – aber auch die Stadt, wo man beim Meditieren plötzlich denkt: „Moment, über mir klebt vielleicht noch eine Samurai-Aorta.“
Die Blutdecken von Kyoto sind ein Denkmal der drastischsten Sorte: halb Geschichtsstunde, halb Geisterbahn. Ein Ort, an dem Geschichte nicht erzählt, sondern in Holz getränkt wurde.
Und das Beste daran? Während ihr im Lotussitz sitzt und versucht, inneren Frieden zu finden, wisst ihr: über euch hängt ein echtes Bushidō-Battlefield. Willkommen im einzigen Interior-Design der Welt, bei dem Blutkonservierung wichtiger war als Feng Shui. Weil Japaner hardcore sind.
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