Die 80er-Jahre waren der Gipfel unserer Zivilisation: Neonfarben, Synthesizer-Soundtracks, choppte Jacketts und Filme, in denen 30-jährige Schauspieler Highschool-Schüler spielten. Doch anstatt diese Ära einfach im Rückspiegel zu betrachten, hat Hollywood beschlossen, sie wiederzubeleben. Ja, meine lieben Retro-Ranger, wir sind tatsächlich im Jahr 2025 und trotzdem fühlen wir uns öfter wie in einer Zeitmaschine, die direkt in die Geburtsstunde der Vokuhila-Frisuren gekracht ist.
Warum sieht heutzutage fast jede neue Serie aus, als hätte sie ihre Zähne mit der ALF-Glitzer-Zahnpasta aus dem Jahr 1986 geputzt?!
Die 80er-Jahre waren… lasst es uns mal nett formulieren: ein Zirkus der Absurditäten. Egal, ob es um Mode, Musik oder Filme ging – alles war größer, schriller, bunter. Man könnte fast meinen, jeder hätte morgens zum Frühstück eine ordentliche Portion radioaktives Kokain zu sich genommen, so bunt wie Schulterpolster, Leggings und Haarfarben leuchteten.
- Mode? Denk an Legwarmers und Stirnbänder, die man heute höchstens noch beim Fasching findet.
- Musik? Eine Collage aus Synth-Pop (à la Depeche Mode), Glam Metal (danke, Def Leppard) und verrückten One-Hit-Wonders, die man heute nur noch beim 80s-Revival im Radio hört.
- Filme? Egal ob Ghostbusters, Die Goonies oder Zurück in die Zukunft – das Kino der 80er war ein bunter Spielplatz für Fantasie, übertriebene Action und teils lächerliche Effekte, die wir heute trotzdem innig lieben.
Rückblende: Was war denn eigentlich so toll an den 80ern?
Die Frage ist natürlich subjektiv. Viele Menschen, die dieses Jahrzehnt als Teenies erlebt haben, denken an eine unbeschwertere Zeit zurück. Keine ständige Erreichbarkeit durch Smartphones, keine Social-Media-Dauerbeschallung, und dazu jede Menge cooler Musikvideos auf MTV (als MTV noch Musik spielte). Man traf sich zum Nintendo-Abend (NES anyone?), tanzte im besten Neon-Outfit überhaupt und glaubte an den großen Traum, einmal so zu sein wie Michael Jackson oder Madonna. Cher? Nein. Nur Cher ist Cher.
Aber jetzt, wo wir uns 2025 befinden, sind wir eben nicht mehr mitten in diesem Jahrzehnt, sondern in einer Art Retro-Safari. Die 80er sind längst Geschichte – und doch schwirren sie wieder omnipräsent in Filmen und Serien umher. Karate Kid wird in Cobra Kai wiederbelebt, Stranger Things holt uns ins Stephen-King-Goonies-Paralleluniversum und jede zweite Coming-of-Age-Story spielt plötzlich auf Jahrmärkten, wo Synth-Pop aus klapprigen Lautsprechern plärrt.
Manchmal ist diese Wiederbelebung nostalgisch-berührend, manchmal wirkt sie wie eine grelle Kopie, die beim dritten Aufguss langsam schal wird. Aber wie sind wir hier gelandet?
80er Neon-Sucht: Bunte Lichter in jeder dunklen Gasse
Wenn du heutzutage eine Retro-Serie oder einen Film drehst, kommst du offenbar nicht drumherum, jede Straßenecke mit einem pinken oder türkisfarbenen Neonschild zu versehen. Klar, es sieht unglaublich hip aus, vor allem wenn deine Kamera eine Blade Runner-artige Regenwelt simuliert, in der das Neonlicht dramatisch auf den nassen Asphalt reflektiert. (Nicht, dass wir das irgendwie als Grundlage sämtlichen Artworks in diesem Magzin geklaut hätten.)
Realität vs. Hollywood-Ästhetik
- Echte 80er:
- Meist etwas stumpfe Farben, weil die Kameratechnik damals nicht soooo brillant war.
- Tapeten in Beige, Braun, Orange.
- Straßenlaternen waren meist gelb und funktionierten ..nur halbwegs.
- Hollywood-80er:
- Ein sanfter Retro-Filter liegt über allem.
- Jede Gasse wird zum Time Square in Neon-Fieber. Als ob Miami Vice deien Straßenzug neu gestrichen hätte.
- Jedes Haus hat eine Arcade-ähnliche Beleuchtung, als würde Pac-Man gleich um die Ecke flitzen.
- Wenn deine Szene so aussieht, als hätte ein Einhorn auf eine Discokugel gepisst, dann bist du ganz nah dran!
Ja, in den 80ern sah alles aus wie durch einen Gelbfilter betrachtet. Aber das lag an schlechten Kameras, dem Smog und weil jeder, überall, dauernd, geraucht hat. Heute wird dieser Look künstlich nachgebaut, um Millennials das Gefühl zu geben, ihre Kindheit auf VHS sei cineastisches Gold gewesen.
Und während unsere 4K-Fernseher ihre Pixel im RGB-Tango schwingen, tun Serien so, als bräuchten sie unbedingt ein Retro-Korn, um „authentisch“ zu wirken. Man könnte argumentieren, dass das einfach visuelles Storytelling ist. Oder dass die Filmemacher uns darüber hinwegtäuschen wollen, dass ihre Stories manchmal eher dünn sind und durch den Retro-Look gleich tiefer wirken.
Synthesizer sind das neue Schwarz
Erinnerst du dich an die bombastischen Soundtracks von John Carpenter? Nein? Keine Sorge, Netflix tut es für dich. Stellt euch eine Szene vor: Vier Kids schleichen durch einen Wald, der Mond scheint, irgendwo raschelt ein Monster. Im Hintergrund fängt ein tiefer Synth-Bass an zu wummern, begleitet von einem spacigen Pad-Sound, der wirkt, als hätte jemand ein Casio-Keyboard aus dem Jahr 1982 gekidnappt.
Synthwave (manchmal auch Retrowave oder Outrun genannt) ist heute in fast jeder Serie präsent, wenn’s irgendwie retro sein soll. Ob Cobra Kai, Paper Girls oder Black Mirror: San Junipero – der Sound ist unverkennbar und weckt in uns das Gefühl, dass gleich ein DeLorean um die Ecke biegen könnte, während Marty McFly aus dem Fenster winkt.
Warum Synthwave?
- Nichts schreit „80er“ lauter als ein knackiger Synthesizer.
- Diese Musik hat etwas Düsteres, gleichzeitig Episches. Sie lässt uns an dunkle, neonbeleuchtete Gassen und futuristische Dystopien denken
- Einfach produzieren: Mal ehrlich, jeder halbwegs fähige Musikproduzent kann heute mit digitalen Tools in Minuten einen klassischen 80s-Synth erschaffen – und es klingt (fast) authentisch.
Tatsächlich hat die Popularität von Synthwave seit Start von Stranger Things (2016) einen massiven Schub erfahren. Laut einiger Musikstreaming-Plattformen ist die Nachfrage nach Retrowave-Playlisten um mehrere Hundert Prozent gewachsen. Das Publikum hat offenkundig Bock auf diesen klischeehaften 80er-Sound, der sich irgendwo zwischen Miami Vice und Terminator bewegt.
Die Plot-Formel: Kinder auf Fahrrädern lösen Mysterien
Wenn deine Serie nicht mindestens eine Szene mit Kids auf BMX-Rädern, die vor einer dunklen Bedrohung flüchten, enthält, kannst du sie direkt in den Streaming-Müll werfen. Wer hätte gedacht, dass die Formel „Kinder auf Fahrrädern treffen auf übernatürlichen Unsinn“ so robust ist, dass sie gleich ein ganzes Genre wiederbelebt? Doch das ist kein Zufall, sondern eine tief in den 80ern verwurzelte Erzähltradition, von Die Goonies über E.T. bis Stand by Me (gut, letzterer hat weniger Monster, aber der Vibe stimmt).
Von „Stranger Things“ bis „Paper Girls“ – es gibt anscheinend eine geheime Hollywood-Regel: Wenn du eine 80er-Jahre-Serie drehst, brauchst du eine Truppe von Kids, die:
- mit Funkgeräten kommunizieren, als wäre es eine militärische Operation,
- mehr Abenteuer erleben als Indiana Jones in drei Filmen,
- Erwachsene sind ahnungslos: So war das schon immer. In 80s-Filmen sind Erwachsene wahlweise abgelenkt, inkompetent oder Autoritätsfiguren, die sowieso nicht helfen können.
- Geheimnisse in Vororten: Perfekt, wenn der beschauliche Vorgarten zur Area 51 mutiert und keiner merkt’s.
- BMX-Räder: Möglichst quietschende, klappernde Teile, die ideal sind, um durch Wälder zu huschen.
- mysteriöse Regierungsverschwörungen aufdecken, weil Erwachsene zu dumm sind, eine Karte zu lesen.
Diese Formel funktioniert. Aber nur, weil wir alle innerlich noch dieses Gefühl aus unserer Kindheit haben: „Was, wenn unser Wohnblock eigentlich das Zentrum einer Alien-Invasion ist?“
Neon, Neon, Neon!
Egal, ob eine düstere Stadt wie in „Blade Runner“ oder ein Freizeitpark wie in „Stranger Things“ – überall blitzen bunte Neonröhren, als wären wir in einer Dauerwerbesendung für Atari.
Fallbeispiele aus dem Streaming-Universum
Damit ihr seht, dass wir nicht nur großen Tönen spucken, hier ein kurzer, sarkastisch-sachlicher Blick auf aktuelle (oder jüngst abgeschlossene) Serien, die sich der 80er-Gewürzmischung mit voller Wucht bedienen:
- Stranger Things (Netflix)
- Das Paradebeispiel: Synthwave-Soundtrack, Kids auf Rädern, mysteriöse Regierungsexperimente, Monster aus anderen Dimensionen und Dungeons-&-Dragons-Referenzen. Ein Triumphzug der Retro-Sehnsucht.
- Cobra Kai (YouTube Premium, dann Netflix)
- Die Karate Kid-Saga wird fortgesetzt, inklusive Rückblenden und Originaldarstellern. Gefühlte 1000 Verweise auf den Zeitgeist der 80er, kombiniert mit der Frage, wie man den Geist jenes Jahrzehnts ins 21. Jahrhundert überträgt.
- Paper Girls (Amazon Prime Video)
- Basierend auf den gleichnamigen Comics: Vier Zeitungs-Mädchen aus den 80ern werden in die Zukunft geworfen. Natürlich hat man hier wieder die BMX-Bande und die retro-verliebte Ausstattung am Start.
- GLOW (Netflix)
- Eine Show über die Gorgeous Ladies of Wrestling in den 80ern. Schrille Outfits, klischeehafte Storylines und ein Soundtrack, der so sehr aus den 80ern trieft, dass man fast das Haarspray riechen kann.
- American Horror Story: 1984 (FX)
- Jede Menge Slasher-Klischees, knallige Aerobic-Outfits und ein Sommercamp-Setting, das sich an die Horrorfilme der 80er anlehnt.
- The Americans (FX)
- Zwar weniger bunt und neonlastig, aber die Serie spielt während des Kalten Kriegs in den 80ern und kommt nicht ohne diverse popkulturelle Anspielungen aus – allerdings auf eine deutlich subtilere Art.
Wenn ihr diese Serien durchzappt, werdet ihr euch fragen, ob wir uns jemals wieder weiterentwickeln oder für alle Ewigkeit in diesem pink-lila Vortex steckenbleiben.
Die Popkultur-Zitate sind nicht subtil – sie sind der halbe Dialog
Popkultur-Dauerfeuer: Wo Easter Eggs auf Namedropping treffen
Ein weiterer Grund, warum sich das 80er-Revival so hartnäckig hält, ist das schamlose Namedropping von Popkultur-Referenzen. Man schaue sich nur Ready Player One an – das ganze Buch und später auch der Film sind im Grunde eine Liebeserklärung (oder Ausbeutung, je nach Blickwinkel) an die 80er-Jahre-Kultur.In modernen Serien und Filmen stehen die Referenzen Schlange:
Man fragt sich, ob die Drehbuchautoren bei jedem neuen Script ein Trinkspiel veranstalten und nach jedem 80er-Filmtitel einen Shot nehmen. Das Ergebnis ist zwar bisweilen amüsant, kann aber schnell nerven, wenn es nur noch darum geht, „Hey, ich habe wieder eine Referenz entdeckt!“ zu rufen.
Easter Eggs sind cool, solange sie subtil sind. Aber oft wirken sie so, als würde ein riesiger neonpinker Pfeil auf den Screen zeigen und rufen: „SCHAU MAL, 80er!“
Die Psyche dahinter: Nostalgie, Kommerz & kollektive Sehnsucht
Warum aber genau fahren wir so heftig auf diese Retro-Welle ab? Ein Blick in psychologische Studien zur Nostalgiezeigt, dass wir Menschen uns in unsicheren Zeiten gern an vermeintlich bessere Epochen erinnern. Besonders beliebt sind Jugendjahre, die uns heute als „unbeschwert“ erscheinen – auch wenn wir damals vermutlich über Mathehausaufgaben geheult haben.
Nostalgie kann:
- Uns das Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit geben.
- Ein Gemeinschaftsgefühl herstellen, wenn wir alle gemeinsam sagen: „Weißt du noch damals…?“
- Einen Marktvorteil generieren: Studios wissen, wie man diese Sehnsucht in baren Münzen verwandelt.
Wir sind also die willigen Abnehmer dieses Nostalgie-Produkts, weil wir gern in Erinnerungen schwelgen und dabei vergessen, dass die 80er doch nicht nur rosig waren (Stichwort: Kalter Krieg, Umweltverschmutzung, gigantische Schulterpolster…).
Die Zukunft: Raum für Neues?
Die spannende Frage: Werden wir in 10 Jahren immer noch 80er-Serien bekommen? Oder wird sich die Nostalgie-Welle langsam erschöpfen und wir tauchen in ein 90er-, 2000er- oder gar 2010er-Revival ab?
Prognose:
- So lange sich 80s-Content gut verkauft, wird es weiterproduziert – selbst wenn wir uns irgendwann die Augen reiben und stöhnen: „Schon wieder Neon und Synthwave?“
- Die Generation, die in den 80ern jung war, ist weiterhin zahlungskräftig und stellt einen großen Teil des Streaming-Publikums. Außerdem springen auch jüngere Generationen auf den coolen Retro-Zug auf.
- Allerdings könnte die nächste große Nostalgie-Welle sich um die späten 90er oder frühen 2000er drehen. Wer hätte gedacht, dass Crazy Frog, Tamagotchi und Buffy – Im Bann der Dämonen eines Tages das große Revival bekommen? (Aber wundern sollten wir uns über gar nichts mehr.)
Es ist also durchaus möglich, dass wir bald Serien sehen werden, die den Y2K-Hype, blinkende Nokia-Handys und AOL-Chatrooms romantisieren. Vielleicht sitzt ihr dann da, starrt auf euren 16K-Bildschirm und fragt euch: „Warum in aller Welt wollte ich noch mal T9 an meinem Handy benutzen?“
Endlosschleife der 80er (und warum wir’s lieben)
Man kann sich drüber lustig machen (machen wir ja auch ausgiebig), man kann es hassen oder lieben: Die 80er sind und bleiben ein Dauerbrenner. Kein Wunder, denn sie bringen all das mit, was man für eine knallige, in-your-face-Unterhaltung braucht:
- Knallbunte Neonfarben, die uns aus dem Grau des Alltags retten.
- Synthwave-Soundtracks, die Gänsehaut provozieren und uns an alte Horrormovies erinnern.
- Kindliche Abenteuer voller BMX-Räder, Walkie-Talkies und schiefen Frisuren.
- Popkultur-Referenzen, bei denen wir jedes Mal laut „Yeah, kenn ich!“ rufen und uns wie Teil eines Geheimbunds fühlen.
Klar, es ist eine Art Dauerschleife. Neue Ideen müssen warten, bis wir das letzte VHS-Band aus dem Keller gezerrt haben, um es in HD-Qualität (äh, oder doch lieber VHS-Filter?) auf den Schirm zu bringen. Aber ehrlich gesagt: Wir sind schuld. Wir lieben’s einfach, wenn die Synthesizer wummern und wir wieder glauben dürfen, dass ein E.T.-Klon an die Tür klopft oder wir gleich mit einem DeLorean in die Zeit reisen.
Und am Ende, wenn der Abspann läuft und wir wieder mal „Kids on Bikes vs. Government Conspiracy“ gesehen haben, sind wir irgendwie glücklich. Denn so ziemlich jeder von uns trägt ein kleines Stückchen 80er im Herzen – selbst wenn wir es gar nicht bewusst erlebt haben.
Ende. Du darfst den Artikel gerne kopieren, teilen, drucken und an deine Wohnzimmerwand heften.
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