Stell dir vor, du wachst 1977 in Wichita, Kansas, auf: Es duftet nach Pizza, draußen flimmert ein Werbespot für Pepsi, und über allem liegt der süße Beigeschmack der „Cola Wars“.

In diesem epischen Kampf zwischen Coca-Cola, Pepsi und ..keine Ahnung – River-Cola oder so – geht es um nichts Geringeres als die Vorherrschaft auf dem Markt der koffeinhaltigen Erfrischungsgetränke! Und genau in diesem Moment greift PepsiCo nach einer ganz neuen Geheimwaffe – nicht nach noch einer Limonade, sondern nach einem ganzen Restaurant-Imperium. Binnen weniger Jahre kauft der Softdrink-Gigant Pizza Hut (1977), Taco Bell (1978) und – als Krönung – Kentucky Fried Chicken (1986). (pioneeringminds.com)
Die große Pepsi-Posse:
- 1977: Pizza Hut wird eingesackt – Käse, Kruste, Kapitalismus.
- 1978: Taco Bell folgt – Mexikanisch, aber mit Markenmacht.
- 1986: KFC – Colonel Sanders tauscht 11 Gewürze gegen High Fructose Corn Syrup.
Warum Fast-Food-Ketten? In den 80ern tobte der Kampf um jeden Zapfhahn. Wer die Becher in den Schnellrestaurants kontrollierte, bekam Millionen junger Geschmacksnerven praktisch im Abo. Populäre „Folklore“ (und so manche Wirtschaftsanalyse) sagt: Pepsi wollte mit der vertikalen Integration vor allem eins – die Exklusivität seiner Cola-Sirups in den eigenen Restaurants sicherstellen und Coca-Cola den Trinkhalm vor der Nase wegziehen. (Truth on the Market)

Und warum das alles? Weil Coca-Cola im sogenannten Fountain Market – also dem Reich der Zapfhähne – die Lufthoheit hatte. Pepsi wollte mit jeder Pommes-Filiale im Rücken Coke das Sprudel-Szepter entreißen. Und wenn du hungrig bist, aber keine Wahl hast außer Pepsi?
Wer das Fast Food kontrolliert, kontrolliert den Geschmack der Massen.
Das Kalkül ging auf: KFC-Buckets, Taco-Taschen und gefüllte Pan-Pizzas wurden zur rollenden Werbetafel für Pepsi. Jedes Combo-Meal enthielt automatisch eine Tasse der „Choice of a New Generation“. Gleichzeitig zwangen Pepsis Machenschaften die Coca-Cola Company, sich selbst mit Exklusivverträgen bei McDonald’s, Burger King & Co. einzumauern – die Fronten der Cola-Kriege verlagerten sich endgültig von Supermarktregalen an die Drive-through-Fenster. (WIRED)

Franchise Kriege
Natürlich wäre diese Fast-Food-Fusion ohne kulturelle Nachbeben langweilig. Die Franchise-Kriege – jene sagenumwobene Schlacht, in der alle Restaurantketten vernichtet wurden, außer einer – sind natürlich historisch dokumentiert.
Zumindest, wenn man gewissen Zukunftsprophezeiungen (Demolotion Man) glaubt.
In einer dystopischen Weltordnung, die verdächtig sauber und seltsam pepsifiziert ist, bleibt am Ende nur ein Name übrig. Und jetzt wird’s spannend:
- In den USA heißt der Überlebende: Taco Bell
- In Europa: Pizza Hut
Ja, richtig gelesen. Der letzte Ort der Haute Cuisine – der Monopol-Mampf-Megakonzern – ist je nach Sprachraum ein anderer. Warum? Weil niemand in Europa wusste, was Taco Bell ist. Also wurde im internationalen Export einfach jedes Logo, jeder Becher, ja selbst jeder Satz ausgetauscht. Digital überpinselt. Neu synchronisiert. Rebrandet. Radikal refaktorisiert. Popkultureller Pizzaputsch statt Spicy Potato Soft Tacos.
Das ist nicht nur Marketing – das ist Meme-Material mit Museumspotenzial. Für die Branding Hall of Fame. Den Louvre der Placement-Liebhaber.
Rückzug ohne Reue
Doch Expansion hat Gewicht: Ende der 90er betrieb PepsiCo fast 30 000 Restaurants in mehr als 100 Ländern – ein Koloss, der nur von McDonald’s übertroffen wurde. (Finanzforschung & Investorenbeziehungen). Also, ziemlich viele Restaurants für einen Limo-Laden.
1997 der große Exit:
PepsiCo wirft die Fast-Food-Ketten wieder raus – sprich, sie werden in Tricon Global Restaurants (später Yum! Brands) ausgegliedert. Man wollte sich auf das konzentrieren, was man am besten kann: Zuckerwasser und Chips. Dafür bleiben die exklusiven Pepsi-Verträge in den Ketten bestehen – praktisch „Zwangsbeglückung light“ (Wikipedia). Nebeneffekt: Bis heute bestellen Millionen Gäste in KFC-Filialen Pepsi, ohne zu ahnen, dass das Huhn einst nur Mittel zum Zweck war.
Was wir daraus lernen können
- Vertikale Integration als Schild und Schwert
Wer Zulieferer und Absatzkanal zugleich besitzt, kann Rivalen nicht nur blockieren, sondern auch Daten, Markenauftritte und Margen komplett kontrollieren. - Marken-Cross-Over erhöht die Reichweite
Jeder Chicken-Zinger oder Pollo-Pizzaslice wurde durch Pepsi-Branding zum süffigen Budget-Booster. - Allianzen sind dynamisch
Dass PepsiCo die Restaurants später abgab, zeigt: Strategische Zukäufe sind oft nur eine Etappe, nicht das Ziel.
Und heute?
Pepsis Fast-Food-Feldzug war mehr als eine Shopping-Spree – er war ein Frontalangriff auf Coca-Colas Flaschen-Festung. Und auch wenn der Konzern das Restaurantgeschäft wieder abgab, hallt der Effekt bis heute nach: In jedem Pepsi-gefüllten Pappbecher bei KFC steckt ein Stück Wirtschaftsgeschichte.
Pepsi wollte Coca-Cola besiegen – nicht durch besseren Geschmack, sondern durch mehr Einfluss. Man kaufte sich in den Mund der Kundschaft. Und selbst in der fiktiven Zukunft gewann man die Franchise-Kriege – zumindest in der richtigen Sprachversion.
Willkommen im Zeitalter der kulinarischen Konzerndystopie. Wo Pizza Hut Haute Cuisine ist, Taco Bell Fine Dining und Pepsi der letzte Tropfen Menschlichkeit in einer geschmacklich abgestumpften Weltordnung.

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