Die 90er – ein Jahrzehnt, in dem die Zukunft noch strahlte wie Captain Picards Glatze im Sternenlicht. Eine Zeit, in der wir glaubten, dass Technologie und Menschlichkeit Hand in Hand durch die Galaxie spazieren würden. Wir sprechen von der Zeit, in der die Next Generation der Enterprise-Crew das Universum als harmonisches Holodeck mit abenteuerlichen Akzenten präsentierte. Zeitgleich taufte man auf der Erde ein hochmodernes Forschungs-U-Boot namens seaQuest DSV, das im Weltmeer schwamm wie ein riesiger, majestätischer Delfin, immer bereit für diplomatische Dinnerpartys mit Unterwasser-Kolonien.
Warum aber wirkt diese Vergangenheit so saftig strahlend, während unsere Gegenwart vornehmlich dunkle Dystopien, rauchige Raumhäfen und existenzphilosophische Krisen zu bieten hat? Was ist passiert? Warum hat sich unser Blick auf die Zukunft von optimistisch zu dystopisch gewandelt? Warum klingt unser heutiges Sternen-Schicksal nach einer düsteren Klavierballade, während man damals Gerry Goldsmith’s orchestrale Overtüre hörte?
1. Die Raumschiff-Renaissance in den 90ern
Wer an die 90er denkt, sieht sofort bunte Lycra-Anzüge, unverschämt ausladende Schulterpolster und abgefahrene Frisuren vor dem geistigen Auge. Wesley Snipes mit blonden Haaren, vorm Pizza Hut. Aber Halt! Das war nur die modische Oberfläche. Dahinter verbarg sich eine ästhetische und inhaltliche Haltung: Optimismus war damals nicht nur eine hohle Phrase, sondern ein quasi-religiöses Grundbedürfnis. In den 90ern wurde die Zukunft als safe-space-fähige Science-Fiction-Wellnessoase gestaltet, in der Konflikte zwar existierten, doch immer lösbar schienen – notfalls mit Diplomatie oder, wenn gar nichts mehr half, einem gut gezielten Phaserstrahl auf geringer Einstellung.
Optimismus on Speed: Die Missionen der Enterprise
Stellt euch vor: Ihr schlendert durch die makellosen Korridore der Enterprise-D, in denen Kinder, Zivilisten und Forscher friedlich nebeneinander her spazieren, ohne ständig Angst vor Alien-Attacken oder Plot-Twists zu haben. Jeder Konsolenknopf gibt ein sanftes Piepsen von sich, medizinische Wunderheilungen sind Standard und Captain Jean-Luc Picard lädt euch gelegentlich zum Tee ein, um die Galaxie mal wieder mit seinem markanten französischen Akzent aus West-Yorkshire zu bereichern.
To boldly go, where no
manone has gone before
- Kein Geld, kein Problem: In dieser Föderation steht menschliche Entwicklung vor monetärem Masochismus. Wir sehen Forscher, die sich wirklich nur für die Wissenschaft begeistern, ohne sich in zähen Börsen-Battles mit Ferengi herumschlagen zu müssen.
- Holodeck-Hygge: Brauchst du eine Auszeit? Ab in den Holodeck-Urlaub! Ob Western-Saloon, Sherlock-Holmes-London oder tropische Trauminsel – die Crew findet stets Zeit für kulturhistorische Ausflüge ins Digitale. Stress? Unbekannt.
- Teamgeist triumphiert: Die Crew löst Probleme, indem sie redet. Diplomatie, Diskurs, Data! Selbst Klingonen werden mit kluger Konversation und einem Fass Blutwein beruhigt. Schießen? Nur im allerletzten Notfall.
Dass diese rosarote Raumfahrt nicht nur ein Gerücht ist, bestätigt ein genauer Blick in die Protokolle der Sternenflotte, die bei Memory Alpha akribisch gesammelt werden. Dort findet ihr detaillierte Berichte über Verträge mit den Klingonen, Konfliktlösungsmodelle mit den Romulanern und sogar Shakespearesche Theaterabende für gelangweilte Crewmitglieder.
1.2 Ozeanische Oden: seaQuest und das submarine Schlaraffenland
Parallel zum Weltraum-Hochglanz wagte die Menschheit in den 90ern den Blick unter die blau glitzernde Wasseroberfläche.
For beneath the surface lies the future.
Dank der seaQuest wurde die Ozean-Erkundung zu einem festlichen Fischchen-Festival. Der Ozean war nicht länger ein bedrohliches, dunkles Nichts, sondern ein Einhorn-Paradies voller Korallen, intelligenter Delfine (“Darwin hungrig!”) und fortschrittlicher Stadtstaaten am Meeresgrund.
- Unterwasser-Utopie: Souveräne Meeres-Kolonien pflegen Handel, organisieren Sportevents und forschen an Meeresbiologie, als wäre sie die letzte unentdeckte Zauberwelt.
- Hightech-Harmonie: Die seaQuest DSV – das Flagschiff der UEO (United Earth Oceans Organization – wie die UN, aber mit mehr Wasser) – gleitet lautlos durch die Tiefen und vermittelt den Eindruck, dass die Weltmeere uns allemal mehr zu bieten haben als bedrohliche Monster (obwohl ab und zu doch eines vorbeischaut).
- Freundschaft statt Feindseligkeit: Selbst die Begegnung mit fremdartigen Spezies oder abtrünnigen Subkolonien findet im 90er-Style statt: Man verhandelt, man redet, man lacht gemeinsam. Wer will schon sinnlos Krieg führen, wenn man friedlich mit Algen experimentieren kann?
Diese submarine Idylle ist ausführlich dokumentiert, zum Beispiel in den Datenbanken bei seaQuest Wiki, wo man sich wundervoll verlaufen kann, wenn man erfahren möchte, wie häufig Captain Bridger seine Ratschläge an ungeschickte Crewmitglieder ausgab und welche Hirnstürme Lucas Wolenczak in seinem Labor fabrizierte.
Diplomatie statt Desaster: Babylon 5s Botschafter-Ballett
Natürlich wäre es unfair, in einer 90er-Retrospektive nur die Sternenflotte und Meeresmissionen zu erwähnen. Auch in den Raumstationen der Babylon-Projekt-Ära war Diplomatie das Damoklesschwert des interstellaren Daseins. Babylon 5 wurde zum neutralen Treffpunkt für Völker aus allen Ecken der Galaxis. Das Motto: Konflikte sprachlich lösen, Schlachten vermeiden, Handelsverträge abschließen und vor allem: den Abend in der Zocalo-Promenade mit außerirdischem Wein ausklingen lassen.
- Botschafter-Bombast: Nichts war spannender als das Ränkespiel zwischen Centauri, Narn und Minbari. Trotz aller Unterschiede glänzte immer die Idee, eine gemeinsame Basis zu finden.
- Station statt Schlachtschiff: Keine mobile Festung, sondern eine Station als Symbol der Einheit. Anders als in manchen heutigen Ecken des Alls, wo sofort die Turbolaser sprechen.
- Spiritualität und Sinnsuche: Während heutige Zukunftsvisionen gerne auf pure Militärmacht setzen, sah man in Babylon 5 Priester, Mönche, Suchende und Träumer. Das spirituelle Element war nicht kitschiges Beiwerk, sondern ernst gemeintes Streben nach einer besseren Zukunft.
Die Details stehen fein säuberlich in den stationseigenen Archiven, verlinkt über die Babylon 5 Fandom-Seite.
Abenteuerliche Aliens
Die 90er prägten eine Vorstellung, dass das Universum in all seiner Vielfalt liebenswert chaotisch, aber nicht hoffnungslos bedrohlich sei. Ja, es gab Kriege, die Kazon kreuzten unsere Wege, und die Dominion-Soldaten lieferten uns den einen oder anderen großen Krieg. Doch selbst in diesen Krisen blitzte immer wieder das Motto des Jahrzehnts durch: Wir können das regeln, wir sind Leute von hier – wir reden miteinander.
Nach-2000: Graue Gritty-Gefilde und zynische Zukunftsvisionen
Das neue Jahrtausend brachte nicht nur klitzekleine technische Wunder wie Miniatur-KI in unseren Kommunikatoren (die manche von euch “Smartphone” nennen), sondern auch ein neues Mindset, das sich in den Weiten des Alls bemerkbar machte: Dark & Gritty, zynisch, depressiv, realistisch. Während früher bunte Uniformen und große Reden dominierten, scheint heute alles in moralischem Matsch zu versinken. Die Utopie von damals ist vorbei. Willkommen in einem grauen Universum, in dem Geheimdienste das Ruder übernehmen, Korruption allgegenwärtig ist und Hoffnung so rar wie Dilithiumkristalle in einer ausgeräumten Mine.
Battlestar Galactica & Co.: Die bitteren Brocken der neuen Ära
Die Schicksals-Odyssee der Kolonialflotte rund um die Galactica gilt gemeinhin als Paradebeispiel für post-2000-Pessimismus:
- Flucht statt Forschung: Statt mutig neue Zivilisationen zu entdecken, rennt man ums Überleben, gehetzt von gnadenlosen Maschinenwesen, die einst Diener der Menschen waren.
- Paranoia und Misstrauen: Jeder könnte ein Zylon sein, loyale Crewmitglieder könnten sich als Verräter entpuppen. Weg sind die unbeschwerten Runden am Holodeck-Feuer.
- Opferkultur: Führungsfiguren sind gehetzt, Commander Adama ringt mit Moralfragen, ob er Menschen opfern soll, um den Rest zu retten. Dieses moralische Dilemma kontrastiert knallhart mit der alten Sternenflotten-Maxime “kein Crewmitglied zurücklassen”.
Sicher, es gibt kleine Funken Hoffnung, Zusammenhalt in einer Notgemeinschaft – doch das Setting ist finster, die Technik wirkt altbacken, und das Thema “Was macht uns menschlich?” wird zu einer brutalen Survival-Story. Plötzlich ist die Sehnsucht nach 90er-Positivität riesig.
Firefly, The Expanse und der große Existenzdruck
Auch in anderen Ecken der Galaxis sieht’s nicht eben rosig aus:
- Firefly: Eine zusammengewürfelte Crew fliegt in einem abgeranzten Schiff namens Serenity durch Grenzregionen, ständig auf der Flucht vor Autoritäten, Piraten oder interner Geldnot. Hier spüren wir starken Western-Vibe – keiner redet mehr über Utopie. Stattdessen trickst man, stiehlt oder dealt, um über die Runden zu kommen.
- The Expanse: Im Sonnensystem tobt ein kalter Konflikt zwischen Erde, Mars und den Beltern. Wasser ist kostbar, Luft noch kostbarer. Kolonisten auf Asteroiden sind stiefmütterlich behandelt. Statt glasklarem Optimismus regieren Realpolitik, Intrigen und eine stets drohende Kriegseskalation.
Waren die Abenteuer in den 90ern davon geprägt, dass Probleme lösbar schienen, so haben wir es jetzt mit tief verwurzelten Interessenkonflikten zu tun, in denen die beste Lösung oft nur das kleinere Übel ist. Nix mehr mit “Wir sind eine große Familie im Universum”. Vielmehr: “Zieh deine Waffe, oder du landest im Eismeer der Bedeutungslosigkeit.”
Star-Trek-Spin, spin, spin: Von der Discovery-Desillusion bis zur Picard-Perplexität
Selbst die vormals so strahlende Sternenflotte scheint in vielen Bereichen kaum wiederzuerkennen.
- Discovery: Heillose Kriege gegen Klingonen, Zeitreisen als Krisen-Feuerwehr, und insgesamt ein Setting, das oft an Schmutz, Verrat und interne Machtspiele erinnert. Diplomatie spielt eher die Rolle eines Prestigeprojekts.
- Picard: Der einst so optimistische Captain wird im Ruhestand mit einer Föderation konfrontiert, die zynisch, korrupt und überreguliert wirkt. Wichtige Aspekte wie Vertrauen in Aliens, Androiden und K.I. sind stark erschüttert.
Klar, man versucht gelegentlich, an die alten Tugenden anzuknüpfen. Doch das Prozedere wirkt getränkt von Drama, inneren Dämonen und großen Enttäuschungen. Weniger “Friede, Freude, Föderationskuchen” – mehr “Fehler, Frust und Föderationsfluch”.
Dark Matter, Altered Carbon, Westworld: Überwachung, Oligarchen und die Omnipräsenz der Paranoia
In zahllosen anderen Neuzeit-Szenarien kreisen wir um ähnliche Themen:
- Dark Matter: Eine Crew mit Gedächtnisverlust, verfolgt von Firmenkartellen und Söldnertrupps, in einer Zeit, in der Megakonzerne das Sagen haben. Wohin bitte ist die 90er-Idee verschwunden, dass Hochtechnologie gesellschaftlichen Fortschritt bringt?
- Altered Carbon: Ewiges Leben durch Bewusstseins-Uploads – klingt verheißungsvoll, entpuppt sich aber als Fortsetzung der Ungleichheit. Wer Geld hat, lebt ewig als Meth, wer arm ist, geht unter.
- Westworld: Androiden, die eigentlich zur Unterhaltung geschaffen sind, sich aber gegen ihre Unterdrücker erheben, während die menschliche Gesellschaft in Dekadenz und Überwachung versumpft.
In allen Fällen schimmert nur ein kleiner Rest des “alten” Optimismus durch. Vielmehr fühlt es sich an, als würden die Visionen der Zukunft uns warnen: “Leute, wir haben den Fortschritt vergeigt. Jetzt baden wir in dystopischem Dreck.”
Düster-dezimierte Demokratie: Die schroff-scharfen Schatten der Gegenwart
Spätestens seit dem Ende diverser lokaler Konflikte auf der Erde und dem Erstarken neuer Mächte hat sich eine gewisse Paranoia breitgemacht. Vertrauen wird zur Mangelware, Allianzen sind brüchig. Galaktische Konferenzen mutieren zu kurzlebigen Farcen, bei denen jeder in den dunklen Ecken den Spion platzier hat.
- Hyper-Realismus: Die neuen Kommandanten sprechen von Hunger, Ressourcenknappheit und Einwanderungsproblemen von fernen Planeten. Plötzlich sind wir mitten in einer “harten Realität” verankert, die jede Illusion von Starbase-Idylle zerschmettert.
- Konflikt-Kult: Drama, Intrigen, Verrat. Selbst die moralisch hochstehenden Captain-Figuren schrecken nicht mehr davor zurück, mit skrupellosen Methoden zu operieren, solange das Ziel – der Erhalt einer brüchigen Ordnung – erreicht wird.
- Misstrauen als Motor: Wo einst interkulturelles Verständnis stand, findet man heute Abgrenzung und Sicherheitsprotokolle. Koexistenz? Nur unter strengsten Auflagen und militärischer Präsenz.
Utopie-Unfall: Wo blieb die Sternenflotte?
Es ist, als hätte die Sternenflotte eine kollektive Midlife-Crisis durchgemacht. Einst war sie stolz, das Beste der menschlichen Tugenden in die Galaxis hinauszutragen. Jetzt scheint sie in vielen Sektoren zur stoisch-zynischen Bürokratie mutiert zu sein, die lieber schwarze Anzüge als bunte Uniformen trägt. Sogar die Benennung hat sich auf “Raumflotte”geändert (Star Trek: First Contact).
- Drohnen & Drohen: Statt erfinderischer Androiden-Partner und holographischer Doktoren, die uns emotional bereichern, setzt man heute lieber auf Drohnenkriege oder unbemannte Kampfeinheiten. Zynischer Fortschritt?
- Temporale Temporalitäten: Zeitreisen gibt’s zwar immer noch, aber sie sind selten Mittel zur Erkundung oder Ethik-Diskussion. Meistens dienen sie dazu, noch mehr Schaden anzurichten, Zeitlinien zu verhunzen und alles in existenzielle Krisen zu stürzen.
- Mangelnde Menschlichkeit: Mit der neuen Härte wurde der Spirit gemeinschaftlicher Verbesserung – ein Grundpfeiler der alten Föderation – in vielen Ecken des Alls verdrängt. Autokratie blüht, Korporationen übernehmen, und selbst bodenständige Kolonisten sehen sich ständig in Grenzkriegen verstrickt.
Zwischen Dystopie und Desillusion: Botschaften ohne Hoffnung
Aktuelle Berichte von entfernten Fronten (man denke an Battlestar Galactica, Expanse, die eskalierenden Randzonen der Föderation) klingen mehr nach existenziellen Endzeitdramen als nach dem altbekannten “Wir erobern den Weltraum gemeinsam”-Spirit. Schiffe sind eng, dunkel, klaustrophobisch. Luft ist knapp, Wasser rationiert, Vertrauen praktisch nicht vorhanden. Statt jazziger Captain-Reden wie “Wir schreiben die Direktive neu!” hört man heute oft: “Überlebenskampf first – Moral second.”
- Gewalt-glorifizierende Gesten: Statt diplomatischer Dinnerpartys setzt man auf harte militärische Taktik, die zwar manchmal notwenig erscheint, aber jegliche Restromantik abtötet.
- Philosophisches Phlegma: Wo die 90er munter über den Sinn des Lebens grübelten (Picards Shakespeare, Siskos Wurmlochwesen-Studien, Janeways moralische Balanceakte), gibt es nun zynische Dialoge über Machterhalt.
- Verkaufte Visionen: Manche Korridore werden von gierigen Lobbygruppen gesteuert, die Erkundungsmissionen nur finanzieren, wenn Ressourcen im Gegenzug winken. Da wäscht eine Hand die andere – manch Captain findet sich in schmierigen Bündnissen wieder.
Der Einfluss der Omnipräsenz des Konflikts: Galaktische Game-of-Thronesisierung?
Tatsächlich scheint ein Trend eingezogen zu sein, der in jeder intergalaktischen Geschichte zwanghaft Heldentod, Verrat und bittere Politik propagiert. Selbst die Kinder in den Lernprogrammen an Bord lernen im Zweifelsfall, wie man sich in einer feindlichen Übernahme behauptet, statt wie man kooperativ forscht.
- Dauerhafte Dunkelheit: Beleuchtung ist Mangelware in vielen Raumschiff-Korridoren. Sogar das Layout der Decks schreit: “Sei vorsichtig! Hinter jeder Ecke lauert ein Mordkomplott!”
- Wenig Wunder: Das Wunderbare, das “Wow-Gefühl” des Entdeckens, tritt in den Hintergrund. Alles wird pragmatischem Kalkül untergeordnet. First Contact? Kommt gleich mit Drohkulisse.
- Entführung der Empathie: Wo einst Counselor Troi (auf der Enterprise-D) emotionales Feingefühl in die Kommandobrücke brachte, muss man heute froh sein, wenn jemand das Wort “Freundschaft” ohne ironischen Unterton benutzt.
Neon-Nostalgie vs. Neuzeit-Neurose: Ein galaktischer Vergleich
Wie kommt es, dass wir trotz technologischen Fortschritts und gewachsener Erfahrung in interplanetarer Diplomatie heute eher ängstlich und abgekämpft wirken? Warum sehnen wir so sehr nach den TNG-/seaQuest-Tagen mit ihrem strahlend weißen Look, den diplomatischen Disco-Festen und dem Glauben an die “perfekte Zukunft”?
Technik und Toleranz: Sci-Fi-Technologie als Spiegel der Gesellschaft
Die Darstellung von Technologie und Forschung war in den 90ern eng mit dem Glauben an menschliche Errungenschaften verknüpft:
- Biobetten statt Biohazard: Wo früher ein Transporter-Unfall eher komödiantisch wirkte, sind heutige Schiffskrankenschwestern und Ärzte oft mit Biowaffen und genetischen Albträumen konfrontiert.
- Fortschritt = Freiheit: In der Vergangenheit galt Technologie als Werkzeug, um die Gesellschaft zu verbessern – Replikatoren für jeden, Antimaterie-Antrieb für intergalaktische Friedensmissionen, Dolphin-to-Human-Übersetzung in Echtzeit! Heute ist Fortschritt oft ein zweischneidiges Schwert. Wir reden von Massenüberwachung, kybernetischen Implantaten zur Unterdrückung der Individuen und Hacker-Angriffen, die ganzen Planeten das Licht ausknipsen.
- Fokus auf Humanität: Die 90er-Föderation betonte stets das Recht jedes Wesens auf Selbstbestimmung. Heutzutage halten manche interplanetare Mächte Sklaven in Bergbaukolonien. Das, was man einst als Erkundung betitelte, nennt man heute “Expedition der Ausbeutung”.
Realismuswahn oder Relikt-Romantik?
Ein häufiges Gegenargument besagt: “Aber Leute, wir sind jetzt eben realistischer! Früher war das alles Träumerei.” Stimmt zum Teil. Doch vergessen wir eines nicht: Unsere hehren Ideale haben uns zu manchen verwegenen Projekten geführt, die sich lohnten. Wir wagten uns an Versöhnungen und Friedenskonferenzen, wir testeten neue Antriebe, wir verbündeten uns mit Spezies, die wir kaum kannten. All das hat uns langfristig vorangebracht.
- Risiko und Rendite: Ein realistischer Ansatz hat gewiss Vorzüge; man verhindert Naivität und endlose Ressourcenverschwendung. Doch er schnürt auch das Träumen ab. Ist es das wert?
- Kollaps der Kolonien?: Manche sagen, man müsse so hart agieren, um Kolonien vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Aber war nicht genau dieser Zusammenhalt der 90er-Utopie der Kitt, der die Föderation stark machte?
- Dröges Design: Selbst in Architektur und Einrichtungsstil sehen wir heute vornehmlich dunkle Metall-Wände, grün-blinkende Notbeleuchtung und monotone Lärmpegel. Was ist mit dem warmen Brückenton, dem schmissigen Teppich und der entspannten Beleuchtung, die zum Dialog einlud?
Werdet ihr lieber von Androiden umarmt oder in Asteroidenminen versklavt?
Um es mal überspitzt zu fragen: Was nützt uns technischer Fortschritt, wenn wir jegliche Wärme verlieren? Die 90er-Föderation, so schräg und manchmal naiv sie war, begrüßte Aliens, Androiden, Hologramme und ja, manchmal auch Ferengi.
Vielleicht brauchen wir ein Revival der alten Werte? Um uns daran zu erinnern, dass Diplomatie und Entdeckerfreude mehr sind als schmückendes Beiwerk. Oder einen maritimen Meeresausflug wie auf der seaQuest, wo wir den Zauber des Unerforschten wiederentdecken. In jedem Fall: Das “Warum war die Zukunft in den 90ern schöner?” lässt sich wohl mit der Haltung beantworten, die damals dominierte – unschuldiger Optimismus statt kalkulierter Pessimismus.
Fazit & Feuerwerk der Fan-Freude: Das Fortleben der 90er-Philosophie
Das Geheimnis der 90er-Zukunftsvisionen liegt im unerschütterlichen Glauben daran, dass die Menschheit (und ihre außerirdischen Freunde) zusammen etwas Großartiges schaffen können. Ob wir nun friedlich durch Warp-Felder gleiten oder in den Tiefen des Ozeans nach neuen Spezies forschen – das Grundgefühl war immer: “Wir wollen zusammen besser werden.” Klar gab es in The Next Generation Spannungen, in seaQuest Katastrophen, in Babylon 5 und DS9 galaktische Kriege – aber kein Hindernis schien unüberwindbar.
Heutzutage, so sagt man, sei man klüger, abgehärteter, realitätsbewusster. Aber vielleicht hat man das Kind mit dem Badewasser ausgeschüttet, indem man jegliche positive Utopie als “naiv” abtat. So sitzen wir in unseren schattigen Raumschiffkorridoren und jammern, wie schlecht es um die Galaxis steht.
Was lernen wir also?
- Diplomatie ist kein Ding der Vergangenheit: In einer gefährlichen Galaxis kann sie entscheidender sein denn je.
- Träume sind Treibstoff: Ohne Utopie gibt’s keine Motivation, Neues zu wagen und Altes zu überwinden.
- Gemeinschaft statt Gejammer: Wie wäre es mal wieder mit einer Weltraum-Konferenz, bei der das Wort “Frieden” nicht als Schimpfwort gilt?
Und wenn ihr euch noch immer fragt, warum die 90er “schöner” waren, dann denkt nur an die warme, farbenfrohe Brücke der Enterprise-D oder den sonnendurchfluteten Kontrollraum der seaQuest.
Denkt an Captain Bridger, der mit Delfin Darwin “spricht”, an Picard, der Shakespeare zitiert, an Sheridan auf Babylon 5, der nächtelang um Friedensverhandlungen ringt. Diese Helden standen für etwas Großes: Hoffnung. Vielleicht fangen wir mit kleinen Schritten an, uns diese Hoffnung zurückzuholen.
Noch heute finden sich in entlegenen Sektoren, auf scheinbar verlassenen Raumstationen und in den stillen Tiefen der Meere, Nostalgiker, die ihre 90er-Werte hochhalten. Sie tragen alte Uniformen, reparieren ausgediente Sonden und flüstern Geschichten über jene Zeit, als jeder Tag ein neues Wunder verhieß. Es ist an uns, diese Fackel der Freundschaft nicht erlöschen zu lassen.
Also, schnappt euch einen Tricorder, klemmt ein Delfin-Emblem an die Brust, putzt eure bunte Uniform und springt in den Quantenraum des Fortschritts – wir haben eine Galaxie zu retten!
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