In den 80ern hatten Actionfilme oft irgendein News-Reel mit ganz absurden Nachrichten, die einem zeigen sollten, dass man sich nun in der völlig bananigen Version der Zukunft befand. Sowas wie „Warschauer Pakt frisst sich selbst: Russland greift Ukraine an!“ oder „2. Jahr globaler Hausarrest!“ oder „Ganz Europa feiert deutsche Aufrüstung!“ oder „Japanischer Flugzeugträger besucht Pearl Harbor!“ oder „Gefunden: 72. Geschlecht!“. Irgendeinen Scheiß halt, der komplett unrealistisch ist und aus ner Parallelwelt kommen muss.
Nunja, in Stiekelkamperfehn (Natürlich. Bei Wacken.) hat die Pastorin Lisa Koens in der St.-Nikolai-Kirche Pole Dance in den Gottesdienst geholt. Nicht als „Shock-Value“, sondern als Statement über Freiheit, Körper, Selbstbestimmung und wie man patriarchale Narrative am besten entsorgt: mit Stil, Kraft und Grifftechnik. So wurde es jedenfalls berichtet, inklusive der Info, dass eine professionelle Tänzerin vor der Gemeinde auftrat und Koens das Ganze in der Predigt als „zurückerobert“ hat und befreiend einordnete (ref.ch). Ihr müsst also nicht nach Bildern der guten Frau googlen. Aber das habt ihr eh schon getan, oder?
Kirche, aber make it Körperkompetenz
Die Nummer ist so simpel wie revolutionär: die Kirche will Menschen erreichen. Menschen leben in Körpern. Körper bewegen sich. Und manchmal bewegen sie sich eben nicht nur im Knien, Sitzen, Stehen, Knien, wie in diesem liturgischen Fitnessstudio.
Hier gibt es ein langatmiges Video, bei dem einem nicht mal die Spucke wegbleibt: https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/hallo_niedersachsen/stiekelkamperfehn-pastorin-verbindet-predigt-und-pole-dance,hallonds-4240.html
Koens’ Idee: „Tanz als Befreiung“. Laut Berichten verweist sie dabei auch auf biblische Motive (ich meine, worauf auch sonst?), in denen Frauen nach Sieg oder Befreiung tanzen (ref.ch). Ihr könnt das kitschig finden. Ihr könnt das schlau finden: niemand wird sich der Tatsache erwehren können, dass hübsche Popos an Stangen noch nie eine Party verschlechtert haben!
Das Problem ist nicht die Stange, es ist die Stimmung
Ich gönne euch euren imaginären Freund. Wirklich. Der soll euch trösten, tragen, motivieren. Aber die Institution Kirche hat historisch und kulturell nun mal eine sehr lange Karriere darin, Körper zu regulieren, Schuld zu verteilen und Freiheit eher zu verwalten als zu predigen. Wenn jetzt mal jemand die Tür aufreißt und sagt: „Heute: Selbstbestimmung statt Selbstkasteiung!“, ist das kein Befreiungsschlag, sondern wird erstmal ein paar hundert Jahre mit Argwohn beäugt, bevor wir euch irgendwas glauben.
Da es von der Predigt selbst kein verlinkbares Material gibt, lass ich euch natürlich nicht im Regen stegen: hier ist die liebe Kessy vom GoldenGirls Bochum
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