Das Orchester schwillt an, die Pauken donnern, und der neueste Blockbuster THX-ed mit der Kraft des Dolby Surrounds durch die Sesselreihen. Aber die 90er rufen an und ihr denkt: das kenn ich doch! Willkommen im geheimen Hauptquartier des Hollywood-Soundtrack-Recyclings, wo Komponisten nicht nur Träume komponieren, sondern auch fleißig in ihrem eigenen Altglas wühlen.
Hans Zimmer: der Herr der Power-Akkorde
Hans Zimmer, der Mann, der Mythos. Wieviele Tage lang lauschen wir zu Playlists dieser Legende, wenn wir wirklich dramatische Hintergrundmusik brauchen? Er hat eine ganz spezielle Handschrift. Man könnte auch sagen: einen Zaubertrick, den er oft aus dem Hut zieht. Der berühmte BRAAAM-Sound aus Inception (im Track „Dream is Collapsing“). Dieser ohrenzerreißende Nebelhorn-Ton, taucht nicht nur dort auf, sondern wabert auch in Interstellar (Track „Mountains“) und sogar in Batman vs. Superman („Beautiful Lie“) durch die 2010er (The Verge). So oft kopiert, und trotzdem einzigartig.
Zimmer recycelt aber nicht nur Klänge, sondern ganze Harmoniefolgen. Vergleicht mal Gladiator („Now We Are Free“) mit Fluch der Karibik („He’s a Pirate“) – plötzlich segelt Maximus mit Holzbein ins Elysium (Filmtracks). Markenzeichen oder Multiplizierung? Trotzdem ist der Mann der Mann.
James Horner: der König der Selbstzitate
James Horner war ein Meister darin, seine eigenen Melodien wie Lego zu stapeln.
In Patriot Games („Attempt on the Royals“) hört ihr martialische Trommeln und aufgeladene Action-Sätze, die beklemmend wirken, denn man weiß nicht warum, aber es kommt einem so vor, als würde Jack Ryan im CIA HQ… von einem Xenomorph verfolgt.
Auch das Theme aus Star Trek II: Der Zorn des Khan („Enterprise Attacks Reliant“) hat sich als DNA in späteren Filmen breitgemacht (CineMontage). Horner baute sich quasi ein eigenes musikalisches Multiversum, in dem man Sachen rausreißen und reinschieben kann. Plug- and Playlist.
Der Fuchs.
Alan Silvestri: der Déjà-vu-Dirigent
Alan Silvestri hat Back to the Future mit der wohl ikonischten Fanfare versehen („Main Title“) seit es eckige Sportwagen gibt, die später in The Avengers („Avengers Assemble“) fast 1:1 wieder auftaucht (ScreenRant). Zufall? Kaum. Helden brauchen Trompeten, und Silvestri liefert sie wie ein Pizzadienst, der immer die gleiche geile Scheibe ausliefert. Never Change A Running System!
Danny Elfman: der Gothic-Loop
Daniel Elbe liebt düstere Chöre und verspielt-hypnotische Rhythmen. Wer seine Musik zu Batman Returns („Main Title“) kennt, hört dieselben Soundfarben in Spider-Man („Main Title“) sofort (Pitchfork). Es ist, als hätte er einfach die Noten aus dem Polizeipräsidium von Gotham City geklaut, und irgendwie in den Spinnenreaktor gestopft. Nightmare before Christmas? Christmas in Gotham City (Batman 2).
John Williams: Kopierer der Sterne
John Williams! Was hat der nochmal gemacht? Achja. Das berühmte Abenteuer-Motiv aus Indiana Jones („Raiders March“) klingt verdächtig wie eine Variation seiner Superman-Fanfare („Main Title March“) (Classic FM). Der Mann weiß einfach, welche Töne Menschen in Sekundenschnelle mit Heldenmut verbinden.
Recycling ist kein Verbrechen
Bevor ihr die Fackeln rausholt: Diese Komponisten sind unsere Helden. Sie recyceln nicht aus Faulheit, sondern weil gewisse musikalische Archetypen einfach immer wieder funktionieren. Wir Zuschauer und Zuhörer wollen Heldenmut, Drama, Pathos und Bombast. Und das servieren uns Zimmer, Horner, Williams und Co. mit denselben Zutaten, nur in neuen Verpackungen. Ihr erfindet schließlich auch nicht jeden Tag das Rad neu und erzeugt replizierbare Werke wie „das 239.000ste Franzbrötchen“ oder die Marketing-Insights Präsentation für Microsoft, deren Ideen ihr auf keinen Fall schon vorletzte Woche bei Klosterfrau Melissengeist abgefeuert habt..
Soundtrack-Recycling ist wie dein Lieblings-Snack: altbekannt, vertraut, aber immer noch lecker. Und genau das ist der Trick: unsere Helden am Mischpult wissen, dass Wiederholung nicht Stillstand ist, sondern unser Gedächtnis anzapft.
Wir erkennen nicht nur an den Imperialen Uniformen, wer die Weltraum-Nazis sind, die Indiana Jones fangen wollen – sondern auch an ihrer „John Williams“-Jingle, wenn sie Harrison Ford wieder den Tag versauen.
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