Tapeten in Orange und Braun, Menschen mit Namen wie Gisela, Dieter oder Karola, und Schlaghosen, die so weit waren, dass man fast darin verschwinden konnte. Geräte und Utensilien, die heute fast vergessen sind, aber damals für Stil und Stimmung sorgten. Vergleicht man das mit heutigen Partys – fünf verschiedene Gläser, eine halbleere Flasche Grauburgunder und eine Spotify-Playlist im Hintergrund – wirkt es, als hätten wir unterwegs etwas Entscheidendes verloren. Man bereitete sich vor, zog sich extra schick an, stellte Deko auf und wollte ein Erlebnis schaffen. Heute herrscht oft die Devise „passt schon“ auf der Afterhour, während in den 70ern jede Feier ein gesellschaftliches Ritual war.
Die Lichtorgel: Disco im Keller

Die Lichtorgel war das Herzstück jeder Kellerparty. Bunte Lichter blinken im Takt zur Musik und verwandeln selbst nüchterne Kellerräume in kleine Diskotheken. Ohne LED-Technik, ohne App, nur Strom und viel Farbe. Schon ein Knopfdruck reichte, um Klaus aus Wanne-Eickel das Gefühl zu geben, er sei mitten in SATURDAY NIGHT FEVER.
Der Käse-Igel: Symbol des Buffets

Eine Grapefruit, Zahnstocher, Käsewürfel und Trauben, mehr brauchte es nicht für den Käse-Igel. Er war auf jeder Feier vertreten und wurde unweigerlich verputzt. Während Horst im Cord-Sakko gleich mehrere Stücke auf einmal schnappte, nahm Uschi lieber nur die Trauben: „wegen der Figur“.
Der Käse-Igel stand für mehr als nur Snacks. Er war ein Zeichen von Gastfreundschaft und ein kleines Kunstwerk inmitten von Buntglas-Schalen und Kristall-Aschenbechern. Jede Familie hatte ihre eigene Variante, von exotischen Früchten bis hin zu ganz schwierigen Spießen.
Fondue-Set: Gemeinschaft im Topf

Ein Fondue-Set war modern und gesellig. Jeder hatte eine kleine Gabel. Manfred verbrannte sich seine Lippen, während Erika verzweifelt ihr Stück Brot aus dem Topf retten wollte. Trotzdem war das gemeinsame Essen ein Highlight. Nicht perfekt, aber verbindend.
Fondue war mehr als Essen – es war ein Event. Gespräche wurden länger, weil man ständig auf das nächste Brotstück wartete. Man tauschte Geschichten aus, lachte über Missgeschicke und teilte nicht nur den Käse, sondern auch die Gesellschaft.
Bowle mit Früchten: Stark und tückisch

Die Bowle war ein Getränk, das ebenso fest zur Party gehörte wie Musik und Tanz. Ein großer Glastopf, Früchte, die stundenlang in Alkohol lagen, und Gäste, die ihre Wirkung unterschätzten. So mancher wie Günther fand sich nach wenigen Gläsern unter dem Tisch wieder. Bowle war weniger ein Getränk als ein sozialer Test.
Jede Familie hatte ihr eigenes Geheimrezept: mit Weißwein, Sekt, manchmal sogar mit Rum oder Likör. Die Früchte wurden zu gefährlichen Zeitbomben, die harmlos wirkten, aber umso stärker zuschlugen.
Die Girolle: Käse als Kunstform

Mit der Girolle ließen sich aus Tête de Moine-Käse (ja, kein Plan..) kleine Röschen schaben. Renate präsentierte stolz ihre dekorativen Ergebnisse, während Ralf skeptisch meinte, Schneiden wäre doch einfacher. Doch genau das war der Punkt: Es ging niemals um Effizienz, sondern um Stil.
Die Käseröschen waren dekorativ und ein Symbol dafür, dass selbst einfache Lebensmittel zum Highlight gemacht werden konnten. In Kombination mit einem Glas Wein oder als Deko auf einem kalten Buffet wirkten sie wie auf einer Yacht vor Neapel.
Schokoladenbrunnen
Schon in den 70ern gab es frühe Varianten des Schokobrunnens. Erdbeeren und Bananen wurden hineingehalten, auch wenn das Ergebnis selten elegant war. Klebrige Finger und Flecken auf Heiners Wildlederjacke waren vorprogrammiert. Trotzdem war es ein Highlight für jeden mit süßem Zahn.
Schokolade war damals ein Luxusartikel, und das gemeinsame Naschen schuf einen besonderen Moment. Gerade in Zeiten ohne Instagram und Food-Photography war es das pure Erlebnis, das zählte.
Weitere Kultobjekte der 70er-Party

Raclette-Öfen: Gemeinsam warten
Vorläufer des heutigen Raclette-Hypes. Stundenlanges Warten vor dem Gerät, während Käse und Speck langsam schmolzen. Ingrid bastelte geduldig ihr Pfännchen, Jochen drängelte schon nach der nächsten Runde. Es war weniger eine Mahlzeit als ein kollektives Spiel.
Raclette bedeutete Geduld, Kommunikation und den bewussten Genuss. Die Wartezeit wurde Teil der Unterhaltung, und genau das machte es zu einem festen Bestandteil vieler Feiern.
Eiswürfelmaschinen: die Zukunft für Zuhause
Sie wirkten futuristisch, auch wenn die meisten nach kurzer Zeit streikten. Petra präsentierte stolz ihre ersten Würfel, die im Wodka sofort wegschmolzen, Norbert verband das irgendwie mit einem peinlichen Kommentar über die Temperatur ihres Kleides. Die Geräte waren der Versuch, Jet-Set-Atmosphäre ins Wohnzimmer zu bringen.
Das Geräusch der ersten Eiswürfel, die in ein Glas fielen, war für viele ein kleiner Luxusmoment. Auch wenn die Technik oft versagte, symbolisierten diese Maschinen das Streben nach Modernität.
Party-Aschenbecher mit Drehasche-Funktion

In den 70ern hat jeder geraucht. Diese Aschenbecher hatten einen Knopf, der die Reste verschwinden ließ. Brigitte und Helmut fanden die Funktion so faszinierend, dass man über eine Zukunft wie in 2001 philosophierte.
Das leise Klack beim Drücken war ein Sound, den jeder Partygast kannte. Es war ein Symbol für die nächste Runde „Feuer frei!“
Zigarettenspender: Automaten fürs Wohnzimmer

Die Zigarettenspender gaben auf Knopfdruck eine Zigarette aus. Für Werner war es ein kleines Wunder, wenn die Marlboro „wie von allein“ erschien. Ein Symbol dafür, wie ernst Stil damals genommen wurde.
Man stellte den Spender oft ins Wohnzimmer, direkt neben die Hausbar. Gäste waren begeistert, wenn sie sich selbst bedienen konnten, und es unterstrich das Gefühl, in einer kleinen Lounge zu sitzen.
Wann haben wir das verloren?
In den 1990er-Jahren änderte sich vieles: IKEA verwandelte den Partykeller in offene Wohnküchen. Eine Bluetooth-Box galt in den 2000ern auf einmal als musikalisch ausreichend. Statt Bowle für alle wurde Wein im Einzelglas bevorzugt. Das Gemeinschaftsgefühl der 70er ging dabei Stück für Stück verloren.
Dazu kam ein kultureller Wandel: Rauchen verschwand langsam aus den Wohnzimmern, Essen wurde weniger zelebriert und mehr zur Nebenbeschäftigung. Statt stundenlanger Gespräche im Conversation Pit standen schnelle Drinks und laute Musik im Mittelpunkt.
Glücklich kann sich schätzen, wer auf eine Party mit Cocktailbar eingeladen wird.
Fazit: Zurück zu Käse-Igel und Bowle
Heute wirken Hauspartys oft nüchtern, eher wie kleine Networking-Events mit Musik im Hintergrund. Ein Käse-Igel oder eine Lichtorgel sind selten geworden. Es bleibt der Eindruck, dass Horst und Steffi besser wussten, wie man gemeinsam feiert.
Vielleicht erleben wir das Comeback der 70er-Parties, bevor die letzte JBL endgültig den Geist aufgibt. Wer weiß: vielleicht steht beim nächsten Treffen wieder ein Tischfeuerzeug im Raum und sorgt dafür, dass alle zusammen lachen, essen und feiern, statt den Grauburgunder aufs Ballerboard zu schütten
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